In meiner selbständigen Tätigkeit kommt es hin und wieder vor, dass ich den Impuls bekomme, meinen Klient:innen Affirmationen anzubieten. Es ist eher die Ausnahme als die Regel. Wenn der Impuls jedoch kommt, sind die Rückmeldungen sehr oft erstaunlich. Daher widme ich diesen Beitrag der Technik der Affirmation. Alle Fallbeispiele liegen viele Jahre zurück. Sowohl Geschlecht als auch Namen sind frei gewählt.
Was sind Affirmationen?
Affirmationen sind einfache Sätze, die wir wiederkehrend wiederholen. Dabei verfolgen wir das Ziel, Gedanken, Gefühle und Verhalten zu unserem Wohl zu verändern.
Das Wechselspiel von Gedanken, Gefühlen und Verhalten
Gedanke, Gefühle und Verhalten beeinflussen sich wechselseitig. So neigen Menschen beispielsweise dazu, aufkommende Gefühle zu interpretieren. Oder anders ausgedrückt, sie erfinden Geschichten dazu, um sich die Gefühle selbst zu erklären. Diese Geschichten werden zu ihren Realitäten. Sie beeinflussen das gezeigte Verhalten und stimulieren oder verstärken das interpretierte Gefühl.
Franz fühlt sich heute nicht gut. Er grübelt darüber nach, warum er sich unwohl fühlt. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass es daran liegt, dass seine Partnerin Sabine heute am Morgen so gestresst das Haus verlassen hat. Während des Tages baut sich der Ärger über Sabine auf. Als er am Abend nach Hause kommt, verzieht er sich gleich wortkarg vor den Fernseher. Aufgrund der Spannungen, die nun in der Luft liegen, fühlt er sich noch schlechter.
Wie werden Affirmationen angewendet?
Wie du deine Affirmation anwendest liegt ganz bei dir. Wichtig ist, dass es sich für dich stimmig und gut anfühlt. Du kannst die Affirmation laut singen und dabei tanzen. Du kannst sie wie ein Mantra innerlich wiederholen und mit der Atmung verknüpfen. Du kannst es dir zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag zum Beispiel vor dem Einschlafen, wie ein Ritual vorsagen. Oder es einfach mehrfach wiederholen, wenn es dir in den Sinn kommt. Du kannst die Affirmation in dein Journal schreiben, oder sie unter der Dusche in deinen Körper hinein massieren. Wichtig dabei ist die Regelmäßigkeit.
Wie oft hintereinander du eine Affirmation wiederholst, hängt davon ab, was du damit erreichen willst.
Geht es um längerfristige Ziele, wie etwa, einen tollen Arbeitsplatz zu finden, reicht es aus, wenn die Affirmation täglich mehrfach wiederholt wird. Sie könnte lauten:
Ich erlaube es mir, einen erfüllenden Arbeitsplatz zu finden.
Geht es darum eine wiederkehrende Stresssituation in den Griff zu bekommen, kann es notwendig sein, die Affirmation 20 bis 30 Minuten lang zu wiederholen. Solange dauert es, bis das Gehirn Stresshormone abbaut.
Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis:
Ausgangslage: Klara kommt in Beratung, weil sie sich in den letzten Jahren immer erschöpfter fühlt. Es gelingt ihr zwar ohne Probleme, ihren Arbeitsalltag zu bewältigen, jedoch blieb nicht mehr viel Energie für eine befriedigende Freizeitgestaltung über.
Im Gespräch zeigte sich schnell, dass Klara Probleme mit dem Schlafen hat. Das sei schon seit Kindheit so, meint sie. Es quälen sie diffuse Gefühle, die sie nicht richtig zuordnen kann. Manchmal fühlt sie sich auch einsam. Sie fühlt sich dann insgesamt angespannt und dreht sich die halbe Nacht unruhig hin und her. Kreisende Gedanken belasten sie jedoch nicht.
Auf die Frage, ob Klara es schon mir Affirmationen und Atmung versucht hat, antwortet sie mit nein.
Die Affirmation: Darauf schlägt ihr die Beraterin folgende Affirmation vor: „Liebe und Friede durchströmt meinen Körper!“ Die Affirmation soll wie ein Mantra über viele Minuten hinweg gedanklich wiederholt werden. Während Klara die Affirmation innerlich wiederholt, soll sich Klara auf ihre Atmung konzentrieren.
Die Rückmeldung: Klara hat die Anregung angenommen und die Affirmation mit der Atemübung praktiziert. Sie teilt mit, dass sich schon beim ersten Mal nach ca. 20 Minuten ein wohliges Gefühl eingestellt hat. Auch wenn sie deshalb nicht sofort eingeschlafen ist, so hat sie sich doch insgesamt entspannt. Im Laufe der Woche, hat sich das Entspannungsgefühl immer schneller eingestellt. Und einmal ist sie während der Übung eingeschlafen.
Resümee: Für Klara ist die Affirmation gekoppelt mit der Atemübung eine Möglichkeit ihre unangenehmen Gefühle zu regulieren. Dies führt zu einer entspannteren Nachtruhe. Ob es ausreicht, um ihre Schlafstörungen gänzlich zu lösen, wird die Zukunft zeigen.
Wann beginnen Affirmationen zu wirken?
Wer jetzt glaubt, ich wiederhole eine Woche lang eine Affirmation und dann hat sich mein ganzes Leben verändert, muss ich hier leider enttäuschen.
Es braucht ca. 60 bis 90 Tage bis sich neue Gewohnheiten etablieren. Das Gehirn ist wie ein Muskel. Je nachdem wie oft und intensiv wir trainieren, bilden sich die neuen Verhaltens-, Gedanken- und Gefühlsmuster heraus. Und auch hier ist der Weg manchmal ein bisschen steinig.
Erstverschlechterung und Widerstand
Gerade wenn es um Verhaltensveränderungen wie mit dem Rauchen aufhören, oder gesünder essen, geht, kann es sein, dass sich die alten Muster anfangs mit aller Wucht gegen die neu, zu etablierende Ordnung wehrt. Auch wenn durch die Affirmation unbewusste Muster aufgedeckt werden, kann das anfänglich sehr anstrengend und zugleich auch lehrreich sein. Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis:
Zwei Seiten der Freiheit
Hätte Paula vor zwei Monaten jemand gefragt, ob sie sich frei fühlt, so hätte sie ohne mit der Wimper zu zucken laut „Ja!“ gerufen. Und hätte man, die Menschen in ihrem Umfeld gefragt, ob Paula eine freie Persönlichkeit ist, hätten auch sie sofort mit „Ja!“ geantwortet.
Ausgangslage: Paula lebt in einem freien und sicheren Land. Sie fühlt sich körperlich und geistig fit, ist finanziell unabhängig. Sie ist gut gebildet und arbeitet in einem Job, der ihr Freude bringt. Ihre Beziehung gibt ihr Halt und lässt dennoch genügend Freiraum für eigene Interessen und Vorlieben. Paula gestattet es sich auch gegen den Strom zu schwimmen, wenn sie Meinungen nicht teilt. Alles in allem fühlt sich Paula im klassischen Sinne frei.
Paula erlebt sich als autonom und niemand hindert sie daran, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten.
Die Affirmation: Im Rahmen einer Supervision, wo es darum ging, das Arbeitsverhältnis mit einer befreundeten Teamkollegin zu lösen, wurde Paula von der Supervisorin die Affirmation: „Ich bin frei und erlaube es mir frei zu sein.“, vorgeschlagen. Paula, soll diese Affirmation 2 – 3 x täglich zu wiederholen.
Die Rückmeldung: Als Paula, das nächste Mal zur Supervision kommt, berichtet sie:
Seit gut sechs Wochen wiederhole ich diese Affirmation, wenn sie mir gerade in den Sinn kommt. Und seither begegnen mir im täglichen Leben laufend Situationen, in denen ich alles andere als frei bin. Nicht etwa, weil irgendwer, irgendjemand, irgendetwas macht, dass mich meiner Freiheit beraubt.
Ich bin es selbst!
Ich stolpere über Lebensenergien, die sich an unerledigte Dinge, an offenen Rechnungen gebunden haben und sich in chronischen Knieschmerzen äußern.
Ich begegne meiner inneren Kritikerin, die mich immer wieder davon abhält, meine Ideen in die Welt zu bringen. Was dazu führt, dass ich es mir in meinem Job sehr bequem gemacht habe.
Ich begegne den Ängsten vor den von mir ernannten Autoritäten, die mich in gewissen Lebensbereichen schön auf der Einbahnstraße halten und mich davon abbringen, auch nur einmal nach links oder rechts zu schauen und die sich körperlich immer wieder als ein Gefühl der Schwere im Bereich des Herzens zeigen.
Ich begegne meinen zu hohen moralischen Selbstansprüchen, die mich mit Schuldgefühlen peinigen, wenn ich durch meine Ehrlichkeit jemanden vor den Kopf gestoßen habe.
Das alles empfinde ich als sehr anstrengend und nervig. Gleichzeitig hat Freiheit für mich eine neue Bedeutung bekommen. Freiheit heißt für mich nicht mehr nur eigenständig, selbstbestimmt und finanziell unabhängig. Freiheit heißt für mich jetzt auch, frei von Schuldgefühlen, inneren Zwängen und beschränkenden Vorstellungen, frei von hinderlichen Ängsten und Sorgen, frei von schädlicher Selbstkritik und Perfektionismus.
Paula zog eine Spruchkarte aus ihrer Handtasche, darauf stand:
„An dem Tag, an dem du deine Verantwortung für dich übernimmst, an dem Tag beginnt deine Freiheit.“ (Marc Robinson)
Resümee: Paula erkannte, dass Freiheit viel mehr ist, als das was sie bisher unter Freiheit verstand. Sie erkannte die Möglichkeit, sich von ihren eigenen Fesseln zu lösen. Dies war jedoch erst möglich, als sie durch die Erstverschlechterung als Folge der Affirmation, auf ihre eigenen lebenseinschränkenden Muster aufmerksam wurde.
Von nun an arbeitet sie mit selbstgewählten Affirmationen. Sie gestattet es sich frei zu sein von …
Resilienz und Selbstregulation
Affirmationen sind eine hilfreiche Technik, um nach traumatischen Erfahrungen, die eigene Resilienz zu steigern. Bei Flashbacks helfen sie in Kombination mit anderen Techniken, sich selbst zu regulieren. Dazu ein Erfahrungsbericht aus meiner Praxis:
Mit erlebter Bedrohung umgehen lernen
Ausgangslage: Hanna befindet sich in einer Tanzausbildung. Immer wieder blockiert ihre rechte Hüfte. Daher hat sie eine passive Yogaeinheit gebucht. Passives Yoga wird liegend auf der Matte in voller Kleidung durchgeführt.
Flashback: Hanna liegt am Boden und empfängt die sanften Dehnungen und die Massage der Meridianlinien. Als der Bereich der rechten Hüften an der Reihe ist, berührt die Nuadpraktikerin Hannas Hüfte mit der Hand. Hanna beginnt zu weinen und kann sich kaum beruhigen. Die Praktikerin bleibt neben ihr am Boden sitzen und wartet, bis der emotionale Impulsdurchbruch abklingt. Hanna erzählt von schweren Erfahrungen in ihrer Kindheit.
Die Affirmation: Nachdem die Emotion abebben und Hanna wieder zur Ruhe gekommen ist, bietet ihr die Nuadpraktikerin eine Affirmation in Verbindung mit einer Orientierungsübung an.
Wenn sich Hanna unwohl oder bedroht fühlt, soll sie sich im Raum umhersehen und sich vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Und wenn sie sieht, dass hier keine Gefahr droht, kann sie für sich den Satz: „Hier und jetzt ist alles gut. Hier und jetzt bin ich in Sicherheit!“, wiederholen, bis sie sich sicher fühlt.
Das passive Yoga wird unterbrochen und Hanna wird empfohlen sich an eine körperorientierte Traumatherapeutin zu wenden.
Rückmeldung: Jahre später erhielt ich ein Mail von Hanna, sie schrieb, dass sie sich tatsächlich in Therapie begeben habe und diese sehr hilfreich war. Ein Satz aber begleite sie noch heute: „Hier und jetzt ist alles gut. Hier und jetzt bin ich in Sicherheit!“
Resümee: Affirmationen können auch für Menschen mit Traumaerfahrung eine hilfreiche Möglichkeit darstellen, um sich bei gefühlter Bedrohung zu stabilisieren.
Verwende weiche Formulierungen!
Vielleicht hast du ja Lust bekommen, diese Technik auch selbst einmal auszuprobieren. Achte darauf, dass du weiche Formulierungen verwendest, um unnötige Widerstände zu vermeiden.
Ich erlaube es mir, …
Ich gehe …. mit mir um.
Mein Leben darf ….. werden.
Mein/e …. wächst von Tag zu Tag.