Affirmationen – Kleine Sätze mit großer Wirkung

Affirmationen – Kleine Sätze mit großer Wirkung

In meiner selbständigen Tätigkeit kommt es hin und wieder vor, dass ich den Impuls bekomme, meinen Klient:innen Affirmationen anzubieten. Es ist eher die Ausnahme als die Regel. Wenn der Impuls jedoch kommt, sind die Rückmeldungen sehr oft erstaunlich. Daher widme ich diesen Beitrag der Technik der Affirmation. Alle Fallbeispiele liegen viele Jahre zurück. Sowohl Geschlecht als auch Namen sind frei gewählt.

Was sind Affirmationen?

Affirmationen sind einfache Sätze, die wir wiederkehrend wiederholen. Dabei verfolgen wir das Ziel, Gedanken, Gefühle und Verhalten zu unserem Wohl zu verändern.

Das Wechselspiel von Gedanken, Gefühlen und Verhalten

Gedanke, Gefühle und Verhalten beeinflussen sich wechselseitig. So neigen Menschen beispielsweise dazu, aufkommende Gefühle zu interpretieren. Oder anders ausgedrückt, sie erfinden Geschichten dazu, um sich die Gefühle selbst zu erklären. Diese Geschichten werden zu ihren Realitäten. Sie beeinflussen das gezeigte Verhalten und stimulieren oder verstärken das interpretierte Gefühl.

Franz fühlt sich heute nicht gut. Er grübelt darüber nach, warum er sich unwohl fühlt. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass es daran liegt, dass seine Partnerin Sabine heute am Morgen so gestresst das Haus verlassen hat. Während des Tages baut sich der Ärger über Sabine auf. Als er am Abend nach Hause kommt, verzieht er sich gleich wortkarg vor den Fernseher. Aufgrund der Spannungen, die nun in der Luft liegen, fühlt er sich noch schlechter.

Wie werden Affirmationen angewendet?

Wie du deine Affirmation anwendest liegt ganz bei dir. Wichtig ist, dass es sich für dich stimmig und gut anfühlt. Du kannst die Affirmation laut singen und dabei tanzen. Du kannst sie wie ein Mantra innerlich wiederholen und mit der Atmung verknüpfen. Du kannst es dir zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag zum Beispiel vor dem Einschlafen, wie ein Ritual vorsagen. Oder es einfach mehrfach wiederholen, wenn es dir in den Sinn kommt. Du kannst die Affirmation in dein Journal schreiben, oder sie unter der Dusche in deinen Körper hinein massieren. Wichtig dabei ist die Regelmäßigkeit.

Wie oft hintereinander du eine Affirmation wiederholst, hängt davon ab, was du damit erreichen willst.

Geht es um längerfristige Ziele, wie etwa, einen tollen Arbeitsplatz zu finden, reicht es aus, wenn die Affirmation täglich mehrfach wiederholt wird. Sie könnte lauten:

Ich erlaube es mir, einen erfüllenden Arbeitsplatz zu finden.

Geht es darum eine wiederkehrende Stresssituation in den Griff zu bekommen, kann es notwendig sein, die Affirmation 20 bis 30 Minuten lang zu wiederholen. Solange dauert es, bis das Gehirn Stresshormone abbaut.

Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis:

Ausgangslage: Klara kommt in Beratung, weil sie sich in den letzten Jahren immer erschöpfter fühlt. Es gelingt ihr zwar ohne Probleme, ihren Arbeitsalltag zu bewältigen, jedoch blieb nicht mehr viel Energie für eine befriedigende Freizeitgestaltung über.

Im Gespräch zeigte sich schnell, dass Klara Probleme mit dem Schlafen hat. Das sei schon seit Kindheit so, meint sie. Es quälen sie diffuse Gefühle, die sie nicht richtig zuordnen kann. Manchmal fühlt sie sich auch einsam. Sie fühlt sich dann insgesamt angespannt und dreht sich die halbe Nacht unruhig hin und her. Kreisende Gedanken belasten sie jedoch nicht.

Auf die Frage, ob Klara es schon mir Affirmationen und Atmung versucht hat, antwortet sie mit nein.

Die Affirmation: Darauf schlägt ihr die Beraterin folgende Affirmation vor: „Liebe und Friede durchströmt meinen Körper!“ Die Affirmation soll wie ein Mantra über viele Minuten hinweg gedanklich wiederholt werden. Während Klara die Affirmation innerlich wiederholt, soll sich Klara auf ihre Atmung konzentrieren.

Die Rückmeldung: Klara hat die Anregung angenommen und die Affirmation mit der Atemübung praktiziert. Sie teilt mit, dass sich schon beim ersten Mal nach ca. 20 Minuten ein wohliges Gefühl eingestellt hat. Auch wenn sie deshalb nicht sofort eingeschlafen ist, so hat sie sich doch insgesamt entspannt. Im Laufe der Woche, hat sich das Entspannungsgefühl immer schneller eingestellt. Und einmal ist sie während der Übung eingeschlafen.

Resümee: Für Klara ist die Affirmation gekoppelt mit der Atemübung eine Möglichkeit ihre unangenehmen Gefühle zu regulieren. Dies führt zu einer entspannteren Nachtruhe. Ob es ausreicht, um ihre Schlafstörungen gänzlich zu lösen, wird die Zukunft zeigen.

Wann beginnen Affirmationen zu wirken?

Wer jetzt glaubt, ich wiederhole eine Woche lang eine Affirmation und dann hat sich mein ganzes Leben verändert, muss ich hier leider enttäuschen.

Es braucht ca. 60 bis 90 Tage bis sich neue Gewohnheiten etablieren. Das Gehirn ist wie ein Muskel. Je nachdem wie oft und intensiv wir trainieren, bilden sich die neuen Verhaltens-, Gedanken- und Gefühlsmuster heraus. Und auch hier ist der Weg manchmal ein bisschen steinig.

Erstverschlechterung und Widerstand

Gerade wenn es um Verhaltensveränderungen wie mit dem Rauchen aufhören, oder gesünder essen, geht, kann es sein, dass sich die alten Muster anfangs mit aller Wucht gegen die neu, zu etablierende Ordnung wehrt. Auch wenn durch die Affirmation unbewusste Muster aufgedeckt werden, kann das anfänglich sehr anstrengend und zugleich auch lehrreich sein. Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis:

Zwei Seiten der Freiheit

Hätte Paula vor zwei Monaten jemand gefragt, ob sie sich frei fühlt, so hätte sie ohne mit der Wimper zu zucken laut „Ja!“ gerufen. Und hätte man, die Menschen in ihrem Umfeld gefragt, ob Paula eine freie Persönlichkeit ist, hätten auch sie sofort mit „Ja!“ geantwortet.

Ausgangslage: Paula lebt in einem freien und sicheren Land. Sie fühlt sich körperlich und geistig fit, ist finanziell unabhängig. Sie ist gut gebildet und arbeitet in einem Job, der ihr Freude bringt. Ihre Beziehung gibt ihr Halt und lässt dennoch genügend Freiraum für eigene Interessen und Vorlieben. Paula gestattet es sich auch gegen den Strom zu schwimmen, wenn sie Meinungen nicht teilt. Alles in allem fühlt sich Paula im klassischen Sinne frei.

Paula erlebt sich als autonom und niemand hindert sie daran, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten.

Die Affirmation: Im Rahmen einer Supervision, wo es darum ging, das Arbeitsverhältnis mit einer befreundeten Teamkollegin zu lösen, wurde Paula von der Supervisorin die Affirmation: „Ich bin frei und erlaube es mir frei zu sein.“, vorgeschlagen. Paula, soll diese Affirmation 2 – 3 x täglich zu wiederholen.

Die Rückmeldung: Als Paula, das nächste Mal zur Supervision kommt, berichtet sie:

Seit gut sechs Wochen wiederhole ich diese Affirmation, wenn sie mir gerade in den Sinn kommt. Und seither begegnen mir im täglichen Leben laufend Situationen, in denen ich alles andere als frei bin. Nicht etwa, weil irgendwer, irgendjemand, irgendetwas macht, dass mich meiner Freiheit beraubt.

Ich bin es selbst!

Ich stolpere über Lebensenergien, die sich an unerledigte Dinge, an offenen Rechnungen gebunden haben und sich in chronischen Knieschmerzen äußern.

Ich begegne meiner inneren Kritikerin, die mich immer wieder davon abhält, meine Ideen in die Welt zu bringen. Was dazu führt, dass ich es mir in meinem Job sehr bequem gemacht habe.

Ich begegne den Ängsten vor den von mir ernannten Autoritäten, die mich in gewissen Lebensbereichen schön auf der Einbahnstraße halten und mich davon abbringen, auch nur einmal nach links oder rechts zu schauen und die sich körperlich immer wieder als ein Gefühl der Schwere im Bereich des Herzens zeigen.

Ich begegne meinen zu hohen moralischen Selbstansprüchen, die mich mit Schuldgefühlen peinigen, wenn ich durch meine Ehrlichkeit jemanden vor den Kopf gestoßen habe.

Das alles empfinde ich als sehr anstrengend und nervig. Gleichzeitig hat Freiheit für mich eine neue Bedeutung bekommen. Freiheit heißt für mich nicht mehr nur eigenständig, selbstbestimmt und finanziell unabhängig. Freiheit heißt für mich jetzt auch, frei von Schuldgefühlen, inneren Zwängen und beschränkenden Vorstellungen, frei von hinderlichen Ängsten und Sorgen, frei von schädlicher Selbstkritik und Perfektionismus.

Paula zog eine Spruchkarte aus ihrer Handtasche, darauf stand:

„An dem Tag, an dem du deine Verantwortung für dich übernimmst, an dem Tag beginnt deine Freiheit.“ (Marc Robinson)

Resümee: Paula erkannte, dass Freiheit viel mehr ist, als das was sie bisher unter Freiheit verstand. Sie erkannte die Möglichkeit, sich von ihren eigenen Fesseln zu lösen. Dies war jedoch erst möglich, als sie durch die Erstverschlechterung als Folge der Affirmation, auf ihre eigenen lebenseinschränkenden Muster aufmerksam wurde.

Von nun an arbeitet sie mit selbstgewählten Affirmationen. Sie gestattet es sich frei zu sein von …

Resilienz und Selbstregulation

Affirmationen sind eine hilfreiche Technik, um nach traumatischen Erfahrungen, die eigene Resilienz zu steigern. Bei Flashbacks helfen sie in Kombination mit anderen Techniken, sich selbst zu regulieren. Dazu  ein Erfahrungsbericht aus meiner Praxis:

Mit erlebter Bedrohung umgehen lernen

Ausgangslage: Hanna befindet sich in einer Tanzausbildung. Immer wieder blockiert ihre rechte Hüfte. Daher hat sie eine passive Yogaeinheit gebucht. Passives Yoga wird liegend auf der Matte in voller Kleidung durchgeführt.

Flashback: Hanna liegt am Boden und empfängt die sanften Dehnungen und die Massage der Meridianlinien. Als der Bereich der rechten Hüften an der Reihe ist, berührt die Nuadpraktikerin Hannas Hüfte mit der Hand. Hanna beginnt zu weinen und kann sich kaum beruhigen. Die Praktikerin bleibt neben ihr am Boden sitzen und wartet, bis der emotionale Impulsdurchbruch abklingt. Hanna erzählt von schweren Erfahrungen in ihrer Kindheit.

Die Affirmation: Nachdem die Emotion abebben und Hanna wieder zur Ruhe gekommen ist, bietet ihr die Nuadpraktikerin eine Affirmation in Verbindung mit einer Orientierungsübung an.

Wenn sich Hanna unwohl oder bedroht fühlt, soll sie sich im Raum umhersehen und sich vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Und wenn sie sieht, dass hier keine Gefahr droht, kann sie für sich den Satz: „Hier und jetzt ist alles gut. Hier und jetzt bin ich in Sicherheit!“, wiederholen, bis sie sich sicher fühlt.

Das passive Yoga wird unterbrochen und Hanna wird empfohlen sich an eine körperorientierte Traumatherapeutin zu wenden.

Rückmeldung: Jahre später erhielt ich ein Mail von Hanna, sie schrieb, dass sie sich tatsächlich in Therapie begeben habe und diese sehr hilfreich war. Ein Satz aber begleite sie noch heute: „Hier und jetzt ist alles gut. Hier und jetzt bin ich in Sicherheit!“

Resümee: Affirmationen können auch für Menschen mit Traumaerfahrung eine hilfreiche Möglichkeit darstellen, um sich bei gefühlter Bedrohung zu stabilisieren.

Verwende weiche Formulierungen!

Vielleicht hast du ja Lust bekommen, diese Technik auch selbst einmal auszuprobieren. Achte darauf, dass du weiche Formulierungen verwendest, um unnötige Widerstände zu vermeiden.

Ich erlaube es mir, …

Ich gehe …. mit mir um.

Mein Leben darf ….. werden.

Mein/e …. wächst von Tag zu Tag.

Viel Freude und Erfolg beim Ausprobieren!

Sanna Igelkind – Trauern mit Kindern

Sanna Igelkind – Trauern mit Kindern

Als Leherin hatte ich es sehr oft mit trauernden Kindern zu tun. Sei es, weil sich die Eltern trenne oder scheiden lassen. Sei es, dass liebgewonnene Freunde wegziehen. Sei es dass, Kinder in der Klasse von Flucht und Krieg betroffen sind. Sei es, dass nahe Menschen sterben.

Lernen kann nur gelingen, wenn wir Kinder in diesen Phasen adäquat begleiten. Auch Trauern will gelernt sein. Es liegt an uns Erwachsenen den uns anvertrauten Kindern, das zu ermöglichen. Trauern mit Kindern steht an der Tagesordnung, sobald Pädagog_innen dafür sensibilisiert sind.

Manchmal helfen für die Kinder erfundene Geschichten kleine Wunder.

Lesetipp:

 Weshalb Trauererziehung?

Sanna Igelkind

Sanna ist sieben Jahre alt. Sie hat funkelnde, schwarze Augen und langes schwarzes Haar. Sie ist dünn und lang wie eine Spaghetti. Wenn es Probleme gibt, läuft Sanna weg. Wenn Sanna nicht weglaufen kann, schlägt und beißt sie. Sie stößt Tische um, räumt Regale aus und wirft Stühle durch die Gegend. Sie schreit wie am Spieß und lässt sich nicht beruhigen. Die Kinder in ihrer Klasse wollen nicht mit Sanna spielen. Sie sagen: „Die Sanna ist verrückt.“ Die Lehrerin sagt: „Sanna darf nicht mehr zur Schule kommen.“

Sanna wechselt die Schule

Schließlich kommt Sanna in eine andere Schule. Doch sie mag die Klasse nicht besonders. Denn hier gibt es nur fünf Buben. Sanna weiß genau, was sie tun muss, um aus der Schule zu fliegen. Sie reißt der Lehrerin an den Haaren, schlägt ihr ins Gesicht, bespuckt sie, tritt ihr in den Bauch und schimpft sie laut. Sanna geht auch auf die Buben los. Aber es nützt alles nichts. Sanna ist hier willkommen. Die Lehrerin sagt nie, dass Sanna nicht mehr kommen darf. Sie sagt nur: „Sanna hat wieder eine Krise.“ Zwar finden auch hier ein paar Kinder, dass Sanna verrückt ist, aber es gibt einen, dem gefällt die wilde Sanna sehr. Er heißt Tom.

Tom

Tom ist gleich alt und gleich dünn wie Sanna, aber um einen Kopf kleiner als sie. Er hat wache, wasserblaue Augen, Sommersprossen und helle Strubbelhaare, die er sich selbst schneidet, wenn ihn irgendetwas ärgert. Da Tom sich immer wieder einmal ärgert, muss Tom nie zum Frisör. Tom geht schon länger in diese Schule.

Als er neu war, hat er die Lehrerin laut beschimpft, die Sessel umgestoßen, die Hefte und Bücher zerrissen, Bleistifte und Lineale abgebrochen, seine Mitschüler geboxt und Scheren durch die Gegend geworfen. Jetzt macht Tom das alles nicht mehr. Die anderen Kinder finden: „Tom ist richtig brav geworden.“, und die Lehrerin muss nie mehr sagen: „Tom hat eine Krise.“

Tom und Sanna werden Freunde

Wenn Sanna wütend ist, versucht Tom sie zu beruhigen. Er teilt mit ihr sein Jausenbrot oder verspricht ihr, in der Pause mit ihr zu spielen, wenn sie jetzt wieder brav arbeitet. Mit der Zeit werden die beiden dicke Freunde. In der Pause spielen sie „Hund“. Tom geht auf allen Vieren und hat eine Leine um den Bauch gebunden. Sanna führt ihn im Gang Gassi, geht mit ihm zum Tierarzt und gibt ihm ein Leckerli, wenn er Hundekunststücke zeigt. Hin und wieder verstecken sich die zwei unter einer roten Wolldecke und dann bekommt Sanna von Tom ein Bussi auf die Wange. Manchmal gibt es auch Streit, dann sagt Sanna: „Du bist nie wieder mein Freund.“, und Tom antwortet: „Ist mir doch egal, du bist sowieso blöd.“ Aber nach kurzer Zeit vertragen sie sich wieder. Sanna bringt Tom jeden Morgen ein Schokoladekipferl mit und Tom borgt sich bei der Lehrerin ein Messer aus und teilt seinen Apfel mit ihr. So vergeht das Schuljahr wie im Flug.

Endlich wieder Schule

Sanna vermisst ihren Freund und die Schule in den Sommerferien sehr. Als Sanna im Herbst wieder in die Klasse kommt, sagen die Kinder: „Sanna ist viel braver geworden.“, und die Lehrerin muss fast nie mehr sagen: „Sanna hat eine Krise.“ Und Tom teilt mit Sanna seinen Apfel, spielt mit ihr Hund und gibt ihr hin und wieder unter der roten Decke ein Bussi auf die Wange.

Im Herbst lernen die Kinder alles über den Igel. Und weil ein Herbststurm alle Blätter von den Bäumen im Schulhof geweht hat, bauen die Kinder einen Laufhaufen und legen sich hinein. Die Lehrerin bedeckt die Kinder mit Laub, bis gar nichts mehr von ihnen zu sehen ist. Es ist kuschelig warm unter den Blättern und es duftet herrlich. Die Kinder können gar nicht genug vom Igelspielen bekommen – bis auf einen.

Tom hat sich verändert

Sanna fällt auf, dass Tom seit Schulbeginn anders ist. Er ist unruhig und hat hin und wieder sehr schlechte Laune. Dann zerreißt er sein Arbeitsblatt, bricht einen Bleistift ab oder schimpft die Lehrerin. Einmal hat Tom die Lehrerin sogar getreten und dass mag Sanna gar nicht. Denn inzwischen mag Sanna die Frau Lehrerin sehr. Sanna geht die Frau Lehrerin sogar manchmal nach der Schule besuchen und dann kochen sie gemeinsam, gehen schwimmen, backen einen Kuchen oder sitzen gemeinsam in der Hängematte und plaudern.

Sanna fragt Tom: „Was ist mit Dir los?“ und Tom erzählt Sanna, dass er nicht mehr lange in diese Schule gehen kann, weil sein Papa in einer anderen Stadt Arbeit gefunden hat. Tom ist traurig und wütend, weil er nicht fortziehen will. Er mag seine Freunde nicht verlieren, in der neuen Stadt kennt Tom niemanden. Sanna macht das auch traurig. Immerhin ist Tom ihr erster und bester Freund und mit den anderen Buben in der Klasse versteht sie sich nicht sehr gut. Was soll nur aus ihnen werden.

Ende Oktober ist es dann so weit. Tom kommt das letzte Mal in die Schule und Sanna ist sehr unglücklich. Sie zeichnet ein großes Bild von Tom und ihr. Zwischen Tom und Sanna malt sie ein großes Herz. Das ist die Liebe, erklärt Sanna der Frau Lehrerin und dabei leuchten ihre Augen. Aber im nächsten Moment ist Sanna wieder traurig. „Komm mich doch heute Nachmittag besuchen“, meint die Lehrerin, „dann bauen wir den Igeln in meinem Garten einen Laubhaufen!“ Sanna freut sich über die Einladung und ist ganz aufgeregt.

Sanna besucht Klara im Garten

Am Nachmittag kommt Sanna pünktlich um zwei zum Gartenhäuschen. Sanna bekommt einen Laubrechen und einen Kübel. Gemeinsam machen sie sich an die Arbeit. Sanna hat schon nach ein paar Minuten genug vom Arbeiten. Sie durchsucht das Gartenhäuschen und den Geräteschuppen, springt am Trampolin und ist dabei sehr nachdenklich. „Ich vermisse Tom.“, sagt Sanna schließlich zu Klara. So heißt ihre Frau Lehrerin. Klara holt die Hängematte aus dem Schuppen und hängt sie zwischen die Apfelbäume. Dann holt sie zwei kuschelige Decken, die Thermoskanne mit Tee und Kekse und sagt zu Sanna: „Komm setzt dich mit mir in die Hängematte.“ Klara wickelt Sanna in eine Decke, gibt ihr Tee und Kekse und hebt sie in die Hängematte. Dann setzt sich Klara zu ihr. Sanna kuschelt sich an Klara und Klara beginnt zu erzählen.

Klara erzählt die Geschichte von Sanna Igelkind

Es waren einmal zwei Igelkinder. Sanna war ein Igelmädchen und Tom war ein Igelbub. Sie hatten sich eines Nachts zufällig unter einer Hecke kennengelernt und wurden gleich Freunde. Tom und Sanna spielten Nachlaufen und Verstecken und hin und wieder gingen sie gemeinsam auf Futtersuche. Als der Herbst kam, trennten sich ihre Wege. Beide mussten zu ihren Igeleltern in den Laubhaufen kriechen, um ihren Winterschlaf zu halten. Im Laubhaufen war es wunderschön kuschelig und warm. Der Schnee fiel vom Himmel und breitete eine weiße Decke über die Laubhaufen und Sanna und Tom wurden richtig müde.

Tom träumte von Sanna und Sanna träumte von Tom. Sie träumten wie sie gemeinsam über die Hügel liefen und nach dicken Schnecken und saftigen Regenwürmern suchten. Tom war ein richtiger Kavalier, er teilte alles was er jagte mit Sanna. Manchmal knabberten sie beide je von einer Seite an einem Regenwurm, bis sich ihre kleinen schwarzen Igelnasen berührten und dann spürte Sanna wie ihre Wangen ganz rot wurden und Tom musste verlegen kichern.

Sanna kuschelt sich noch mehr an Klara heran und sagt: „Und dann?“

Eines Nachts als sich Tom und Sanna wieder trafen, fragte Tom, der inzwischen ein richtig hübscher Igelmann war, Sanna, ob sie seine Frau werden will. Sanna war begeistert und so bauten sie sich gemeinsam ein Igelnest. Die zwei waren die glücklichsten Igel auf der Welt. Doch nach ein paar Wochen veränderte sich Sanna. Sie war manchmal schlecht gelaunt und sagte zu Tom: „Du musst viel mehr Regenwürmer und Schnecken suchen. Ich bin immer hungrig und manchmal ist mir auch schlecht!“ Und tatsächlich der Bauch von Sanna wurde immer runder und runder und Tom wusste gar nicht mehr, wo er die ganzen Schnecken finden sollte.

Klara fragt Sanna: „Was ist nur mit Sanna los?“ und Sanna antwortet: „Wahrscheinlich wird sie bald platzen von den vielen Schnecken!“ Klara lacht und fragt: „Glaubst du wirklich?“  Sanna überlegte kurz. Dann leuchten ihre Augen und sie ruft: „Nein, sie bekommt Babys. Erzähle weiter.“ Klara nimmt einen Schluck von ihrem Tee und isst einen Keks, dann fährt sie fort.

Sanna konnte von Tag zu Tag schlechter gehen, so dick war ihr Bauch schon und Tom machte sich so richtig Sorgen. Nun wollte Sanna auch noch, dass Tom das Nest größer machte. Tom verstand die Welt nicht mehr. Sie hatten doch das schönste Nest weit und breit. Aber wenn Sanna sich etwas in den Kopf setzte, war reden sowieso zwecklos, also vergrößerte er das Nest. Und als Tom am nächsten Abend aufwachte, traute er seinen Augen nicht. Tom war Vater geworden.  Sanna hat vier kleine Igelbuben geboren.

„Nur Igelbuben?“, fragt Sanna enttäuscht. „Ja“, antwortet Klara, „und weißt du, wie sie heißen?“ „Nein“, antwortet Sanna. „Sie heißen Felix, Jakob, Wolfgang und Andi.“ Sanna lacht: „Das sind ja die Buben aus der Klasse!“ „Genau“, sagt Klara, „und Sanna Igel Mama wird viel Arbeit mit den Jungs haben!“ „Erzähl weiter!“, bittet Sanna.

Tom und Sanna waren außer sich vor Glück. Sie hatten die hübschesten Igelkinder, die man sich nur vorstellen konnte. Jakob war ein bisschen mollig, weil er so gerne aß. Wolfgang war sehr ängstlich und fürchtete sich sogar vor einem Regenwurm. Felix wollte kein Igel sein, er wäre viel lieber ein kleiner Kletteraffe geworden und Andi der Älteste wusste immer genau, was passierte. Tom und Sanna hatten alle Hände voll zu tun. Einmal kam Andi gelaufen und rief: „Mama, Papa kommt schnell, Felix ist wieder auf einen Baum geklettert und kommt nicht mehr herunter!“ Als Sanna und Tom zum Baum kamen, war Felix unglaublich stolz auf sich. Er saß am obersten Ast und rief: „Ich sag ja, ich bin ein Affe und kein Igel!“ Sanna und Tom sagten im ganz ernsten Ton: „Komm sofort da herunter, sonst holen wir dich!“ Aber  Felix antwortete: „Das traut ihr euch eh nicht, ich will ein Affe sein“! Und damit hatte Felix leider Recht. Sanna und Tom konnten beide nicht klettern und sie hatten keine Ahnung wie Felix es auf den Baum rauf geschafft hatte. „Komm sofort hier herunter, bevor Dich Eule entdeckt und Dich frisst!“, schrie Tom ganz verzweifelt. Das half, denn gefressen werden, wollte Felix nicht, also ließ er sich einfach in den Laubhaufen unter dem Baum plumpsen.

Sanna schüttelt sich in der Hängematte vor Lachen: „Der Felixigel ist ja genauso wie der Felix in der Schule, der klettert auch überall herum, wo es gefährlich ist. Und was stellt der Jakobigel an?“ Klara erzählt weiter.

„Mama, Papa kommt schnell!“ rief Andi, „der Jakob und der Wolfgang streiten schon wieder ums Essen!“ Sanna und Tom liefen los. Sie hätten nie gedacht, dass es so anstrengend sein kann, Igelkinder zu erziehen. Und tatsächlich: Jakob und Wolfgang zerrten beide an einer Schnecke. „Die gehört mir!“, fauchte Jakob durch die spitzen Igelzähnchen durch, „ich habe sie zuerst entdeckt!“ „Du hast mir schon fünf weggeschnappt, ich bin auch hungrig!“, jammerte Wolfgang. „Schluss mit dem Blödsinn!“, rief Tom, „Hier gibt es genug Schnecken! Wer von euch beiden kann jetzt wohl nachgeben?“ Jakob öffnete langsam sein Igelmaul und zischte: „Na gut, dann such ich mir eben einen Käfer. Wer will schon so eine schleimige Schnecke. Das ist ja ekelig!“ Wolfgang begann zu weinen: „Schnecken sind gar nicht ekelig. Schnecken sind mein Lieblingsessen!“ „Lass dich von Jakob doch nicht ärgern“, beruhigte in Sanna. „Jetzt aber ab ins Nest mit euch“, schnaubte Tom. „Mama und ich brauchen jetzt ein bisschen Erholung!“

Die Tage wurden länger und die Sonne wurde wärmer. Die Schneedecke, die die Laubhaufen von Tom und Sanna zudeckte, begann zu schmelzen. Tom verspürte großen Hunger und er rekelte und streckte sich und öffnete ganz langsam die Augen. War das ein schöner Traum, dachte Tom. Gleich nach dem Essen mache ich mich auf die Suche.

„Und wen wird er wohl suchen?“, fragt Klara Sanna. „Mich, natürlich!“ ruft Sanna.

Sanna geht es besser

Von diesem Nachmittag an, ist Sanna ein bisschen weniger traurig. Und falls sie doch einmal sehr traurig ist, erzählt ihr Klara eine Geschichte von Sanna Igelkind und ihrem Igelfreund Tom.